Blog
Kategorien
Kaspressknödel, © Tirol Werbung / Rodler Ilvy
Essen & Trinken
Sepp Kahn, Almliterat, © Bert Heinzelmeier
Menschen
Imster Schemenlaufen, © Tirol Werbung / Aichner Bernhard
Kulturleben
Swarovski Kristallwelten, © Tirol Werbung / Moore Casey
Empfehlungen
Kinder am Fluss, © Tirol Werbung / Herbig Hans
Familie
Olperer Hütte, © Tirol Werbung / Schwarz Jens
Unterhaltung
Great Trail , © Tirol Werbung / Neusser Peter
Sport
Cover Sommer 2024
Magazin
Jagdhausalmen im Osttiroler Defereggental. Foto: Tirol Werbung.
Serien
Michael

Bergführer im Porträt – Kilian Scheiber und die Wildspitze

Aktualisiert am 08.05.2023 in Menschen

Kilian Scheiber_Wildspitze Portrait

Der Mann aus dem Eis heißt nicht Ötzi. Er heißt Kilian Scheiber. Der Bergführer aus Vent im Ötztal stand über 400 Mal am Gipfel der Wildspitze - auch wenn es keine Liebe auf den ersten Blick war zwischen ihm und dem höchsten Berg Nordtirols.

Wer Kilian Scheiber nach seiner liebsten Jahreszeit fragt, bekommt stets die Antwort: „Der Winter.“ Vielleicht ist das der Grund, weshalb wir ihn Mitte August bei nahezu winterlichen Verhältnissen in 2.755 Metern Höhe treffen. Das Außenthermometer der Vernagthütte im Venter Tal, einem Seitental ganz hinten im Tiroler Ötztal, klettert an einem Tag wie heute nur knapp über die Null-Grad-Marke. Frühmorgens brechen wir mit Bergführer Kilian, einem sehnigen Mann um die Fünfzig in Richtung Wildspitze auf. Er liebt Schnee und Eis – schließlich ist er damit aufgewachsen. Schon als Siebenjähriger war er zum ersten Mal am Gipfel der Wildspitze, damals gemeinsam mit seinem Vater – natürlich auch ein Bergführer. Aufgewachsen ist Killian auf den Venter Rofenhöfen kennengelernt, die höchstgelegenen, dauerhaft besiedelten Bergbauernhöfe Tirols.

Um sechs Uhr morgens mit Kilian Scheiber unterwegs in Richtung Vernagtferner.Um sechs Uhr morgens mit Kilian Scheiber unterwegs in Richtung Vernagtferner.

Kilian Scheiber_Wildspitze_Vernagtferner Steigeisen anziehen

Kilians langer Weg zur Wildspitze

Kilian bestand 1996 die Abschlussprüfung zum Bergführer und übernahm das Bergführerbüro seiner Eltern in Vent. Gut 400 Mal war er inzwischen auf der Wildspitze. Aber sein Lieblingsberg war eigentlich mal ein anderer: „Ich bin früher sicher lieber und öfter auf den Similaun gegangen. Für mich ist das einer der schönsten Skitourenberge. Dort habe ich auch schon meine tollsten Skiabfahrten gemacht. Ich kann mich noch erinnern, da bin ich mit einem Herrn aus Innsbruck zum Schafübertrieb hochgegangen. Zuerst haben wir noch den Schafübertrieb beobachtet, sind dann hoch auf den Similaun gegangen und hatten noch eine sensationelle Firnschneeabfahrt. Die Abfahrt hat keinerlei Kraft gekostet, es ist dahingegangen wie auf der sprichwörtlichen Butter.“

Dennoch gehen wir heute mit Kilian nicht auf den Similaun, sondern auf die Wildspitze. Mit 3.768 Metern Höhe markiert sie den höchsten Punkt Nordtirols und ist schon deshalb etwas Besonderes – mittlerweile auch für Kilian. Man könne sie nicht so einfach abtun als „ja, die Wildspitze halt“, sagt er. „Am Anfang war ich absolut nicht der Wildspitz-Fan. Ich kann auch gar nicht sagen, warum. Vielleicht, weil immer alle auf die Wildspitze wollten, wollte ich gerade woanders hin. Aber irgendwann, je öfter ich hochgekommen bin, hat die Liebe richtig angefangen. Mittlerweile mag ich sie richtig gern, die Wildspitze.“

Kilian zeigt uns heute seine Lieblingsroute zur Wildspitze. Abkürzungen mag er nicht. Es gäbe nämlich einige kürzere Routen. Er zeigt uns lieber den längsten Weg. Der führt ausgehend von der Vernagthütte mit Steigeisen über den Vernagtferner zur Brochkogelscharte, dann nordseitig um den Hinteren Brochkogel herum über den Taschachferner zum Südgipfel der Wildspitze. Von dort quert Kilians Route hinüber zum Nordgipfel und über den Rofenkarferner hinunter nach Vent. Das bedeutet mehrere Stunden Fußmarsch mit Steigeisen auf Gletschereis und Schnee. Genau das sei es auch, was er an dieser Route über die Wildspitze so mag, sagt Kilian. „So haben wir drei Gletscher, über die wir gehen.“

Der Vernagtferner – hier im Bild – werde in 25 Jahren verschwunden sein, meint Kilian.Der Vernagtferner – hier im Bild – werde in 25 Jahren verschwunden sein, meint Kilian.

„Das Wetter ist entscheidend“

Kilian marschiert, unbeeindruckt von tiefhängenden Wolken, voran. Der Begriff „Schlechtwetter“ bekommt eine andere Bedeutung, wenn man sich mit ihm unterhält. Einmal hat ihm ein halber Meter Neuschnee mitten im Sommer einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Das war einfach zu mühsam und zu tiefe Stapferei. Normalerweise braucht man von der Breslauer Hütte vier Stunden hoch. Wir waren schon drei Stunden unterwegs und hatten noch nicht mal die Hälfte des Weges.“ Und erst vor drei Tagen sei er im Schneesturm gegangen, bis auf 3.500 Meter Höhe. „Wirklich grausig.“ Also kehrte er auch da mit den Leuten wieder um. So gesehen ist das Wetter bei unserer heutigen Tour mit Kilian ausgezeichnet.

Etwa 150 Höhenmeter unterhalb von uns fließt der Vernagtbach, wir gehen entlang einer sogenannten Gletschermoräne. „Moränen zeugen ja von den Gletscherhochständen vor 150, 160 Jahren. Um 1850 herum war das ganze Tal, das man einsehen kann, voll mit Eis.“ Kilian schaut hinunter zu einer kleinen Hütte am Vernagtbach, die als Basisstation für Gletscherforscher dient. Der verbliebene Rest des Vernagtferners werde voraussichtlich in den nächsten 20 Jahren verschwinden. Kilians Sohn Ronald ist dann schon längst erwachsen. Wir haben den Bub auf der Vernagthütte kennengelernt, er hilft dort während der Sommerferien aus. Ronald sei schon im August 2010 als Sechsjähriger mit auf der Wildspitze gewesen, „der musste mich sogar noch unterbieten“, erzählt Kilian. Das war ein besonderer Tag für Kilian – in doppelter Hinsicht. Denn an diesem Tag montierte er gemeinsam mit Kollegen ein neues Gipfelkreuz, welches das 77 Jahre alte Vorgängermodell ersetzen sollte. Ein Manöver mit Risiko. Kilian musste das neue Kreuz millimetergenau in den Sockel des alten Kreuzes bugsieren. Ein Fehler oder eine ungünstige Windböe – und das am Helikopterseil hängende Kreuz hätte Kilian vom schmalen Gipfelaufbau in die Tiefe geschleudert. Aber alles ging gut.

.

„Steine gibt’s auf jedem Berg. Wir haben Gletscher.“„Steine gibt’s auf jedem Berg. Wir haben Gletscher.“

Querung am Taschachferner.Querung am Taschachferner.

Diese mächtige Gletscherspalte stiehlt dem Wildspitz-Gipfel beinahe die Show.Diese mächtige Gletscherspalte stiehlt dem Wildspitz-Gipfel beinahe die Show.

Unterwegs verliert Kilian nur wenige Worte und stapft weiter. Am Vernagtferner seilt er uns an und manövriert uns durch ein Labyrinth aus Gletscherbächen, Gletschermühlen und kleinen Gletscherspalten bis zu einem Felsriegel. Ein Steig führt dort rund fünfzig Höhenmeter hinauf, zum Brochkogeljoch. Die Steigeisen kratzen am Fels wie Kreide auf einer Schultafel. Oben an der Kante fährt uns der Wind scharf ins Gesicht, dahinter verliert sich der Blick in einer einzigen Masse aus Schnee und Eis, dem Taschachferner. Wir bewegen uns laut Kilian im größten vergletscherten Gebiet der Ostalpen. „Das ist das Schöne an unserem Gebiet. Steine gibt’s auf jedem Berg. Aber wir haben Gott sei Dank noch viele Gletscher.“ Es fühlt sich an wie im Winter – und genau das liebt Kilian.

Er verspricht uns einen sagenhaften Ausblick auf den Gipfel der Wildspitze, sobald wir unter dem Brochkogel gequert sind. Als wir am besagten Punkt ankommen, sehen wir: Nichts. Wolkenschwaden blockieren die Sicht. Kein Gipfel in Sicht.

Wir stoppen bei einer Gletscherspalte, in die man problemlos ein Einfamilienhaus versenken könnte. Ein Loch in den Wolken tut sich auf. Wir sehen zum ersten Mal das Gipfelkreuz der Wildspitze. „Bei Hochtouren hängt vieles von den Verhältnissen ab.“, sagt Kilian. „Das Wetter ist da entscheidend. Wenn Du von der Breslauer Hütte das vierzig Grad steile Stück hochgehst und da blankes Eis hast, dann ist das natürlich schon sehr anspruchsvoll. Wenn es – so wie momentan – noch genug Schnee hat und man darauf hochstapfen kann, geht das natürlich viel leichter.“

„Bei Hochtouren hängt alles von den Verhältnissen ab.“„Bei Hochtouren hängt alles von den Verhältnissen ab.“

Sein Vater sei das erste Mal mit 19 Jahren oben gewesen, erzählt Kilian. 60 Jahre später wollte er noch einmal hinauf.Sein Vater sei das erste Mal mit 19 Jahren oben gewesen, erzählt Kilian. 60 Jahre später wollte er noch einmal hinauf.

Oben im Hintergrund zu erkennen: Das Gipfelkreuz der Wildspitze.Oben im Hintergrund zu erkennen: Das Gipfelkreuz der Wildspitze.

Wenn das Eis bricht

Eine letzte Engstelle trennt uns noch vom Südgipfel. Nach wenigen Schritten stehen wir oben. Wir stehen allein am Gipfel, das durchwachsene Wetter hat auch seine Vorteile. Kilian packt seinen Flachmann aus, wir nehmen nacheinander einen Schluck daraus und betrachten das von ihm und seinen Bergführerkollegen 2010 montierte Gipfelkreuz. Sein Vater sei das erste Mal im Alter von 19 Jahren oben gewesen, erzählt Kilian. 60 Jahre später, als 79-Jähriger, wollte er noch einmal hinauf. Diesmal ging sein Sohn voran. „Ich war nach so vielen Jahren der Bergführer von meinem Vater und bin mit ihm hochgegangen. Das war ein sehr tolles Erlebnis.“

Kilian wendet sich dem Nordgipfel zu. „Der besteht aus Schnee und Eis. Wenn man in alten Karten nachschaut, war er noch höher eingetragen.“ Dadurch, dass er abschmelze, sei er heute niedriger als der felsige Südgipfel.  Wir queren vorsichtig über den schmalen Grat zum Nordgipfel und stapfen durch den Tiefschnee bergab. An einem Gletscherbruch vorbei steigen wir über den „Martins-Boulevard“ hinunter zum Rofenkarferner. Ein Bergführerkollege habe ihm diesen Steig gezeigt. „Was tut der denn da, dachte ich mir zuerst“, erzählt Kilian, „da hinten bricht es ja steil ab im Fels. Plötzlich tat sich da ein kleiner Weg auf. Und weil der Bergführerkollege Martin hieß, der mir den Weg gezeigt hat, nenne ich das jetzt eben den Martins-Bouldevard.“ Kilian zeigt mit dem Stock auf einen mächtigen Abbruch aus Eis: „Und das nenne ich den Schanzentisch. Weil da wahrscheinlich die nächsten Skiflugweltmeisterschaften ausgetragen werden.“ Er lacht. Das Eis ist tatsächlich gebrochen, zwischen Kilian und der Wildspitze.

„Was tut der denn da, dachte ich mir zuerst.“„Was tut der denn da, dachte ich mir zuerst.“

Der „Schanzentisch“. Fotos: Tirol Werbung / Jens SchwarzDer „Schanzentisch“. Fotos: Tirol Werbung / Jens Schwarz

Vom Großglockner bis zur Wildspitze, vom Großvenediger und dem Wilden Kaiser bis zum Olperer: In einer fünfteiligen Porträtserie erzählen wir diesen Sommer die Geschichten von fünf Tiroler Bergführern und ihren Hausbergen.

Falls ihr auch mit Kilian Scheiber auf Tour gehen möchtet, findet ihr hier den Kontakt: www.bergfuehrer-vent.at

Michael Gams ist in seiner Freizeit viel im Land unterwegs: Beim Wandern, Mountainbiken, Freeriden und Skitouren gehen entdeckt er die schönsten Plätze.

Michael
Letzte Artikel von Michael
Skifahren in Ischgl 
Aktualisiert am 16.11.2023 in Empfehlungen
Tipps für einen Tag in Ischgl
4 Min Lesezeit
Biathlon Pillerseetal, © Charly Schwarz
Aktualisiert am 12.10.2023 in Sport
Da legst dich nieder: Biathlon-Training für Anfänger
2 Min Lesezeit
Hängebrücke Highline 179, © Naturparkregion Reutte
Aktualisiert am 13.09.2023 in Empfehlungen
Tirols 21 langweiligste Ausflugsziele
4 Min Lesezeit
(Foto: Robert Eder)
Aktualisiert am 12.09.2023 in Empfehlungen
Frühstücken am Berg
2 Min Lesezeit
Beckna Harakiri schmal
Aktualisiert am 07.08.2023 in Empfehlungen
Tipps für einen Tag in Mayrhofen
6 Min Lesezeit
Die Galzigbahn im Schneegestöber.
Aktualisiert am 31.07.2023 in Empfehlungen
Tipps für einen Tag in St. Anton am Arlberg
8 Min Lesezeit
Typisch für Sölden: Die gelungene Mixtur aus moderner Bergbahn-Architektur und Wintersport inmitten von Dreitausendern.
Aktualisiert am 31.07.2023 in Empfehlungen
Tipps für einen Tag in Sölden
6 Min Lesezeit
Skigebiet Alpbach in Tirol
Aktualisiert am 26.07.2023 in Empfehlungen
Tipps für einen Tag in Alpbach
8 Min Lesezeit
Skitour_Ötztal
Aktualisiert am 30.05.2023 in Sport
10 leichte Skitouren abseits der Pisten
11 Min Lesezeit
Links hinter der schneebedeckten Spitze liegt unser Ziel: Der Gipfel des Großvenedigers.
Aktualisiert am 10.05.2023 in Menschen
Bergführer im Porträt: Sigi Hatzer und der Großvenediger
8 Min Lesezeit
Passionsspielhaus
Aktualisiert am 10.04.2023 in Kulturleben
5 Schauplätze für Filmfreunde
2 Min Lesezeit
Skifahren am Patscherkofel , © Tirol Werbung / Stefan Voitl
Aktualisiert am 30.11.2022 in Sport
Skitechnik-Training: 9 Tipps und Tricks
6 Min Lesezeit
Kufsteinerland, Erl, Hotel Blaue Quelle, Fisch
Aktualisiert am 17.03.2021 in Essen & Trinken
5 Wirtshäuser mit eigener Produktion
3 Min Lesezeit
Skifahren mit Kindern in Tirol
Aktualisiert am 24.02.2021 in Familie
Das ABC fürs Skifahren mit Kindern
4 Min Lesezeit
Ort: Wilder Kaiser, ©Herbig Hans
Aktualisiert am 21.05.2020 in Familie
Sind wir bald daaa? Wie Kinder Spaß am Wandern finden
4 Min Lesezeit
(Foto: Michael Gams)
Aktualisiert am 14.05.2020 in Empfehlungen
Ich bin raus. Im Bergsteigerdorf Vent
3 Min Lesezeit
Singletrail Soelden ©Tirol Werbung Haiden Erwin, bikeboard
Aktualisiert am 01.10.2018 in Sport
Die ultimative To-do-Liste für Mountainbiker
4 Min Lesezeit
Ramolhaus
Aktualisiert am 14.08.2018 in Kulturleben
5 Alpenvereinshütten für Architekturfreunde
3 Min Lesezeit
Links hinter der schneebedeckten Spitze liegt unser Ziel: Der Gipfel des Großvenedigers.
Aktualisiert am 19.07.2018 in Menschen
Bergführer im Porträt
4 Min Lesezeit
Figl an den Fuessen
Aktualisiert am 18.07.2018 in Sport
Mit Figln an den Füßen bergab – Ein Selbstversuch
3 Min Lesezeit
Portrait_Sara_(c) Carlos Blanchard_S34B5610
Aktualisiert am 12.07.2018 in Menschen
Eine von 757 Tausend: Wie Sara von Schweden nach Tirol kam
8 Min Lesezeit
Maeusebussard-1500px-1024×683
Aktualisiert am 14.05.2018 in Menschen
In freier Natur. Geschichte eines Wildtierfotografen
5 Min Lesezeit
P1010886 (c) Löser Privat
Aktualisiert am 30.04.2018 in Sport
Robert im Glück – Ein Wintermärchen zum Skifahren lernen
2 Min Lesezeit
Wanderausrüstung
Aktualisiert am 20.11.2017 in Sport
Pack die Wanderhose ein: Packliste für Mehrtagestouren
2 Min Lesezeit
Alle Artikel von Michael
5 Kommentare verfügbar
Kommentar verfassen

Einfach weiterlesen

nach oben

Der Berg ruft? Unser Newsletter auch!

Im wöchentlichen Newsletter verraten wir Ihnen die besten Urlaubstipps aus Tirol.